Was bedeutet Sprachverständnis?
Sprachverständnis ist die Fähigkeit, Sinn und Bedeutung von Lautäußerungen zu erfassen. Mit Lautäußerungen sind zum einen Worte, zum anderen aber auch Lautmalereien wie zum Beispiel “wau-wau” gemeint.
Welche Fähigkeiten muss ein Kind besitzen?
- Sprache hören können
- seine Aufmerksamkeit auf Sprache richten können
- Lautketten (zum Beispiel A-U-T-O) erkennen können
- Lautketten eine Bedeutung zuordnen können
- der Bedeutung dieser Lautketten Weltwissen zuordnen können
- Herausfinden können, was der Gesprächspartner möchte (zum Beispiel Licht an oder Licht aus)
Störung im Sprachverständnis
Kinder, bei denen eine Störung im Sprachverständnis vorliegt, können Inhalte von Anweisungen, Erklärungen, Sätzen und Gesprächen nicht bzw. nicht ausreichend verstehen. Man kann eine Störung im Sprachverständnis meist nur anhand der Reaktion eines Kindes erkennen. Direkt beobachten kann man eine Störung im Sprachverständnis nicht. Wenn eine Störung im Sprachverständnis vorliegt, ist immer auch der aktive Sprachgebrauch gestört.
Symptome einer Störung im Sprachverständnis
Die Kinder können folgende Leitsymptome zeigen:
- keine Reaktion auf Ansprache
- wenig Aufmerksamkeit für Sprache
- ungenaue und/oder falsche Antworten und Reaktionen
- wiederholen von Satzteilen oder Wörtern (plappern wie ein Papagei)
- Reaktion auf eine Aufforderung nur nach zusätzlichen Gesten
- kein Interesse an Geschichten
- Aggressivität, Störverhalten, kaspern oder ständiges Reinreden
Warum ist eine Störung im Sprachverständnis problematisch?
Eine Störung im Sprachverständnis kann lange Zeit unerkannt bleiben. Kinder mit einer Störung im Sprachverständnis entwickeln oft Strategien, um diese Störung zu kompensieren. Durch Beobachtung ihrer Umwelt können sie sich Sachverhalte erschließen. Aufforderungen zu bestimmten Handlungsabläufen, die immer wiederkehren, können sie umsetzen. Ihre Reaktion passt zu der jeweiligen Situation. Zum Beispiel beim Decken des Tisches: “Hole bitte die Teller aus dem Schrank und stelle sie auf den Tisch.” Wenn das Kind diese Handlung dabei vorgemacht bekommt, kann sich das Kind den Sinn dieser Aufforderung aus der Beobachtung erschließen. Wird es zu dieser Handlung regelmäßig aufgefordert, benötigt das Kind kein Vormachen mehr, da es sich den Sinn der Aufforderung aus dem Kontext erschließen kann. Deshalb können Eltern eine Störung im Sprachverständnis primär kaum oder gar nicht erkennen. Auf die Frage, ob ihr Kind denn alles versteht, antworten sie verständlicherweise erstmal mit “ja”.
Formen der Störung im Sprachverständnis
Störung im Sprachverständnis auf der Wortebene
Betroffene Kinder können einzelnen Wörtern keine Bedeutung zuordnen. Je nach Entwicklungsstand ist schon der elementare Alltagswortschatz betroffen, wie zum Beispiel “Tasse” oder “weich”. Später betrifft es nur noch seltener vorkommende Wörter. Es hängt von der individuellen Erfahrungswelt des Kindes ab, welche Wörter dazugehören (zum Beispiel Pinzette).
Besondere Schwierigkeiten haben die Kinder, wenn…
- Wörter ähnlich klinge, wie zum Beispiel "knacken" - "hacken" ("Die Mutter knackt Nüsse." - "Die Mutter hackt Nüsse.")
- Wörter in veränderter Form auftreten. Das Kind kennt zum Beispiel die Gegenwartsform aber nicht die Vergangenheitsform des Verbes ("schlafen"-"schlief")
- Ein Wort oder eine Aussage mehrere Bedeutungen hat. "Vor der Schule" kann entweder vor dem Gebäude oder vor dem Beginn der Schulstunde bedeuten.)
Störung im Sprachverständnis auf der Satzebene
Betroffene Kinder haben Schwierigkeiten, den Inhalt eines Satzes zu verstehen, obwohl ihnen die darin enthaltenen Wörter bekannt sind. Der Satzbau kann bei betroffenen Kindern zu Missverständnissen führen (zum Beispiel; “Du kannst deine Mütze aufsetzen, nachdem du deine Jacke angezogen hast”. Mit der besten Absicht alles richtig zu machen, setzt das Kind die Mütze auf. Es versteht nicht, dass es zuerst die Jacke hätte anziehen sollen.) Kinder, die von einer Störung im Sprachverständnis betroffen sind, können meistens nur eine begrenzte Anzahl von Informationen pro Satz verarbeiten.
Das Verstehen von Textinhalten (Aneinanderreihung mehrerer Sätze) ist für betroffene Kinder besonders schwierig, weil…
- Das "Nichtverstehen" von einzelnen Wörtern zu Missverständnissen führen kann.
- Informationen oft nur unvollständig gegeben werden, man muss also "zwischen den Zeilen lesen" können. ( Zum Beispiel: "Kann ich mal bitte die Milch." statt "Kann ich mal bitte die Milch haben.")
Welche möglichen Gründe können Ursache für eine Störung im Sprachverständnis sein?
- zeitweise oder dauerhafte Hörstörung oder Schwerhörigkeit
- genetische Disposition
- mangelndes Sprachvorbild
- mangelnde Sprachanregung
- Intelligenzminderung
- Unfälle, Traumata
- Störungen der Wahrnehmung und/oder der Motorik
- Störungen der emotionalen Entwicklung
- organische Störungen
Teilweise kann man aber auch zunächst keine Ursache ermitteln. Eine eindeutige Ursache ist noch weitgehend ungeklärt. Die Wissenschaft geht davon aus, dass ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren eine Störung im Sprachverständnis bedingen.
Auszug aus Fachbeitrag "Sprachverständnis im Kleinkind- und Vorschulalter - Diagnostische und therapeutische Aspekte", logopädieschweiz September 2008, (Zollinger 1995, Bishop 1997)
"Die Schwierigkeiten Sprache zu verstehen behindern das Kind in vielen anderen Entwicklungsprozessen, was zu zusätzlichen Störungen führt. Im frühen Spracherwerb drückt sich dies im Ausbleiben von sprachlich-kommunikativer Aktivität aus. Das Kind beginnt in der Folge nicht, bzw. erst spät zu sprechen. Dem Sprachverständnis kommt dadurch im frühen Spracherwerb eine Schlüsselfunktion zu, denn Kommunikation kann nur mit guten Verstehenskompetenzen erfolgreich funktionieren."
Welche Auswirkungen können auftreten?
Den Kindern werden oft Verhaltensprobleme, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, niedrige Intelligenz und vieles andere unterstellt. In der Schule kann eine Störung im Sprachverständnis zu einer Störung im sogenannten Lesesinnverständnis führen. Das bedeutet, dass die Kinder Schwierigkeiten haben, den Sinn des Gelesenen (zum Beispiel von Aufgaben und Texten) zu verstehen.
Was können Eltern tun?
Primäres Ziel ist es, das Kind neugierig auf Sprache zu machen. Zudem sollte die Wahrnehmung des Kindes gefördert werden, sodass es über mehrere Sinneskanäle Informationen aufnehmen und abspeichern kann.
Gerade Eltern können – nach ausführlicher Anleitung – Zuhause im Alltag effektive Anregungen
schaffen und mit ihrem Kind auf “Sprachentdeckungsreise” gehen.
Damit wird die Chance erhöht, dass das Kind keine Störung im Lesesinnverständnis entwickelt!
Schreibe mir und ich zeige dir, wie du dies ganz einfach im Alltag umsetzen kannst.